🎓 Schon ein kurzer Blick auf das aktuelle Netflix Serienangebot offenbart eine auffällige Dominanz an Gewalt, Unruhe und unterschwelliger Angst. Es werden eine Vielzahl von technischen und medialen Register gezogen um angstbesetzte Themen in einer Art und Weise zu transportieren, deren wir uns kaum noch erwehren können. Natürlich ist Netflix mit seinem Angebot nicht allein, neben Amazon Prime, Maxdome und Sky sind auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sendern aktiv dabei um unsere Gunst und Aufmerksamkeit zu buhlen.
Zusätzlich werden regelmäßig gewalttätige Werbeeinblendung zu einer Zeit eingespielt zu denen auch noch Kinder vor dem Fernseher sitzen. Über diese Einflüsse und den tatsächlichen Konsum von nicht jugendfreien Sendungen gibt es keine aktuelle wissenschaftlich belastbare Studie. Doch ein Blick auf eine aktuelle Studie, die sich nur auf den allgemeinen Medienkonsum von Kindern richtet, gibt schon genug diskussionswürdigem Stoff.
Kinder, die viel Zeit am Handy und vor dem Fernseher verbringen, haben ein höheres Risiko, eine Depression zu entwickeln. Die neue Studie verdeutlicht dass der Grund weit weniger offensichtlich ist, als man denkt. Denn wer viel Zeit am Handy verbringt, hat weniger Zeit für anderes, vor allem für andere Menschen. Wer viel Zeit mit Handys und Co. verbringt wird vereinsamen, wird depressiv. Diese Argumentation stützt eine neue Studie aus Montreal.
Das Fachjournal JAMA veröffentlichte kürzlich eine Studie, in der über
untersucht wurden. Erfragt wurden FrĂĽhsymptome von psychischen Befindlichkeiten, Variablen waren die Nutzung von
Die Untersuchung fand von 2012 bis 2018 statt, die Jugendlichen wurden jährlich über vier Jahre befragt und die Daten nun veröffentlicht.
Während die Gesamtdauer vor dem Bildschirm wohl keinen signifikanten Einfluss auf die psychische Befindlichkeit zeigte, sollten jedoch die verschiedenen Beschäftigungen unterschieden werden: So sind die Nutzung von sozialen Medien und das Vertiefen in Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime Video mit einem erhöhten Risiko der Ausbildung von Depressionen assoziiert.
Dies erkläre sich nicht durch Vemeidungsverhalten („displacement hypothesis“), dass also die Jugendlichen keinen sozialen Kontakt im realen Leben mehr erfahren, sondern durch einen sogenannten sozialen Aufwärtsvergleich („upward social comparison“), indem die User sich mehr und mehr mit virtuellen Freunden vergleichen und diesem Vergleich oft nicht standhalten. Wer früher ohne Internetzugang vielleicht eine oder zwei „Überfiguren“ im gleichen Alter zum Vergleichen hatte, findet nun hunderte, die sich gut verkaufen können. Wer dies nicht kann, erlebt Frustration, vermindertes Selbstwertgefühl. Die Depression droht.
Nur ein Faktor von vielen
Eine einsetzende Depression führe dann zu Vereinsamung, Isolation und bringe damit eine Abwärtsspirale in Gang („reinforcing spirals hypothesis“). Die Autoren merken gerechterweise an, dass Längsschnittstudien über lange Jahre fehlen, das Outcome fürs Erwachsenenalter ist nicht untersucht.
Ich denke, hier sollte man zunächst ansetzen: Wir wissen doch gar nicht, wie es später weitergeht. Depressionen sind ein multifaktorielles Geschehen, es gibt eine familiäre Komponente, es gibt oft Auslösermomente (Unfälle, chronische Krankheiten, Tod eines Familienmitgliedes, Umzug und damit eine Änderung der Lebensbedingungen) und das Outcome ist beeinflusst durch die so genannte Resilienz, also die Fähigkeit, mit Schicksalsschlägen umgehen zu können. Das Abhängen in sozialen Netzwerken ist nur einer von vielen Faktoren, die das psychische Befinden steuern.
Dennoch bietet die Studie eine interessante Hypothese. Jugendliche suchen sich stets ihre Peergroup, der sie sich zugehörig fühlen, in der sie bestenfalls anerkannt sind. Ihr Aussehen, Verhalten, ihr Musikgeschmack orientiert sich vor allem daran, sich von anderen Gruppen abzugrenzen. Vor zehn oder fünfzehn Jahren fand dies nur im Analogen statt. In jeder Klassen- oder Altersgruppe gab es ein oder zwei Hippe, die Leader, denen man nacheifern und sich glücklich schätzen konnte, wenn sie einen nur ansahen. Nun ist es anders.
Mögen Whatsapp-Gruppen noch recht lokal organisiert sein, bewegen sich die Jugendlichen via Instagram, Facebook oder Snapchat nun in den Weiten des Netzes. Aus den zwei Stars sind hunderte geworden, die sich gut verkaufen können. Dies erhöht den Druck auf das Ego. Erreichst du keine Klickzahlen, bist du nicht anerkannt. Der soziale Vergleich ist unüberschaubar geworden, die Frustrationsgrenze enorm gesunken. Die Gruppe, mit der man sich messen muss, ist riesig geworden. Durch die vielen vermeintlichen Vergleichsfiguren im Netz entsteht ein Durchschnittsmensch, den der einzelne gar nicht mehr erreichen kann.
Das Glückslevel sinkt. Einer anderen Umfrage aus Großbritannien zufolge verspüren 60 Prozent der Jugendlichen einen großen Druck durch soziale Medien. Laut Untersuchung ist das „Glückslevel“ der heutigen Generation deutlich gesunken.
Der Versuch, Hassbotschaften im Netz zu reglementieren oder zu verbieten, geht an den Ursachen komplett vorbei und leistet einem Meinungsdiktat Vorschub. Solange sich das Individuum einen Vorteil erhofft wird es diesen auch nach seinen Möglichkeiten nutzen. So wie sich das Wasser immer den leichtesten Weg sucht, so wird der Mensch jeden Hinterhalt, jedes Täuschungsmanöver oder Betrug (Fake) zu nutzen versuchen. Denn er weiß, dass persönlich diffamierende Äußerungen im Netz vom Empfänger so gewertet werden, als spreche ein Gegenüber aus dem realen Leben. Die sozialen Netzwerke sind heute oft ein Spiegel einer zutiefst gestörten Gesellschaft.
Wer keine Unzufriedenheit, Wut oder Hass in sich trägt, eröffnet sich und der Gesellschaft einen Weg der umfassenden Heilung. Der Weg aus der persönlichen Depression liegt somit deutlich vor uns. Denken und Wahrnehmen mit der Realität wieder harmonisieren, verzerrte Wertvorstellungen und Verhältnisse wieder gerade rĂĽcken. Das Selbstbild neu ausrichten und die eigene Wertschätzung wiederfinden, im Einklang mit der Mitwelt (Umwelt) leben. Hilfreich sind weitere Erfolge in der „analogen“ Welt: im Sport, in der Musik, im haptisch Kreativen. Die reale Welt wird im gleichen MaĂźe gesunden wie die virtuelle. Dies ist eine politische Herausforderung fĂĽr unsere Gesellschaft und die mentale Herausforderung fĂĽr jeden Einzelnen.
Quelle: https://www.doccheck.com/de/detail/articles/22777-die-depression-der-netflix-kinder
Netflix sei Dank! Depression schon bei Kindern
Netflix, Amazon &Co ? Depressive Kinder garantiert?
1 Comment
Der normale Menschenverstand sagt jeder Mutter, jedem Vater, daß dieser viele Medienkonsum nicht gut sein kann. Schön, daß dies durch Studien unterlegt wird.